Nicht nur die Automobilhersteller stehen unter großem Innovationsdruck, auch die Unternehmen der Lieferkette müssen konstant Prozesse und Produkte optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade bei Kleinstteilen von Tier-2-Lieferanten ist die Qualitätssicherung oft eine Herausforderung – bei Stückzahlen in Millionenhöhe wird in der Regel nur stichprobenartig kontrolliert. Der mittelständische Zulieferbetrieb Plock hat daher eine Lösung eingeführt, um jedes Teil einzeln digital nachverfolgen zu können: mithilfe eines winzigen, aufgebrachten Codes, der alle wichtigen Qualitätsinformation beinhaltet. Diese werden in Azure gespeichert und können bei Bedarf abgerufen und ausgewertet werden.
Die Herausforderung: Jedes produzierte Teil einer Qualitätssicherung unterziehen
Die Plock Metallwerke: Neben einer Rutsche stehen vier große Kisten mit Kleinstteilen. Ein Arbeiter nimmt eines davon aus der Kiste und legt es auf die Rutsche. Dort wird es von Kameras geprüft. Entspricht das Teil der Norm, legt der Arbeiter es in die grüne Kiste, weicht es ab, wird es entsorgt. Dies wird der Arbeiter für alle 180.000 Teile in den vier Kisten wiederholen und insgesamt zwei Monate damit beschäftigt sein. „In unserer Branche arbeiten wir mit sehr großen Stückzahlen. Die Qualitätssicherung kann daher meist nur stichprobenartig passieren. Wenn in einer Bestellung wenige Teile nicht der Norm entsprechen, erhalten wir oft die gesamte Lieferung zurück und müssen sie noch einmal komplett prüfen.“, erklärt David Soldat, Projektleiter bei der R. Schulze GmbH & Co. KG, einer Tochtergesellschaft der Plock Metallwerke. Das Unternehmen ist auf Stanz- und Ziehtechnik spezialisiert und beliefert Automobillieferanten mit Kleinstteilen, die unter anderem für die Produktion von Sicherheitsgurtsystemen gebraucht werden.
Die gesamte Zulieferbranche ist mit der Herausforderung konfrontiert, das Qualitätsmanagement von Millionen von Kleinstteilen effizient zu gestalten. Plock Metallwerke hat die Möglichkeit gesehen, diesen Prozess digital aufzusetzen und zu optimieren. Als mittelständisches Unternehmen musste Plock Metallwerke dabei mit begrenzten Ressourcen die bestmögliche Lösung finden: „Automobilhersteller haben riesige Abteilungen für die Digitalisierung von Prozessen. Wir haben uns für einen pragmatischen Ansatz entschieden, dabei etablierte Denkmuster gegen Innovation getauscht und wichtige Investitionen getätigt. Die Digitalisierung von Produktionsprozessen ist Teil unserer Strategie geworden: So wollen wir uns einen Wettbewerbsvorteil herausarbeiten“, erläutert Soldat.
Die Lösung: Digitale Nachverfolgung jedes Teiles durch Code auf dem Material
Plock Metallwerke hat gemeinsam mit paiqo, einem Spezialisten für Daten- und KI-Lösungen, einen digitalen Prozess eingeführt und damit die Traceability – also die Nachverfolgung – und Qualitätssicherung auf ein neues Level gehoben. Jedes Teil wird von einer Kamera vermessen und mit einem eindeutigen Code versehen. Dort speichert Plock Metallwerke alle wichtigen Daten zum jeweiligen Kleinstteil, wie die Größe, Messdaten oder Produktionsparameter. „Wir erstellen einen digitalen Zwilling, eine Art Geburtsurkunde des Bauteils, und speichern sämtliche relevanten Eckdaten ab. Damit können wir gewährleisten, dass jedes Teil ab Verlassen der Produktionsmaschine jederzeit nachverfolgt und geprüft werden kann“, so Dr. Timo Klerx, Data Scientist und Gründer von paiqo.
Das Besondere bei Plock Metallwerke: Der gesamte Prozess kann inline, also ohne Unterbrechung der laufenden Produktion, abgebildet werden: „Wir haben das Einlasern des Codes nahtlos in unsere Produktion eingegliedert. So bieten wir einen innovativen Mehrwert, ohne den Prozess zu verlängern – ein einzigartiges Verfahren im Markt“, freut sich Soldat. Ein Faserlaser bringt innerhalb von 140 Millisekunden einen Datamatrix-Code auf dem Rohmaterial an, erst danach wird das Material in die Teile gebogen und gestanzt. Da die Teile selbst nur sehr klein sind, ist der Code gerade einmal 2x2 Millimeter groß. Jeder Code enthält eine fortlaufende Nummer mit neun Stellen und eine Textinformation mit sieben Stellen zur eindeutigen Identifikation jedes Bauteils – selbst bei millionenfacher Produktion.
Bei den großen Stückzahlen an Teilen wächst die Menge an Daten gleichermaßen mit: Diese werden in Azure gespeichert und archiviert. Über eine App können Mitarbeitende den Code jedes Bauteils auslesen und das Geburtszertifikat anzeigen. Auch die Kunden können den Code selbst einlesen und Zugriff auf die Daten erhalten. Diese sind auch noch viele Jahre, nachdem das Teil ausgeliefert und verarbeitet wurde, verfügbar. „Die Ausfallsicherheit war sehr wichtig für uns. Denn ein Kunde soll auch in 10 oder 20 Jahren noch für jedes Teil nachvollziehen können, mit welchen Spezifikationen es damals ausgeliefert wurde. Hier haben wir eine zukunftssichere Lösung mit Azure“, erläutert Soldat. „Wenn wir weitere Bauteile in den Prozess mit aufnehmen, bietet uns Azure eine skalierbare Plattform, um die Daten verarbeiten zu können.“
Zur Visualisierung der Daten während der Produktion nutzt Plock Metallwerke Power BI. Das Dashboard kann die Daten der Kameras und des Codereaders gemeinsam aufbereiten und für verschiedene Parameter anzeigen. Das vereinfacht die Prüfung innerhalb des Prozesses und erhöht die interne Qualitätssicherung des Betriebs noch einmal. „Durch die Nutzung der Cloud und der Lösung von paiqo haben wir unsere Investition optimal getätigt: Für uns und unsere Kunden bietet dieser Prozess ein Mehr an Sicherheit und Transparenz – sowohl während der Produktion als auch Jahre danach“, so Soldat.
Aktuell nutzt Plock dieses Traceability-Verfahren an einer Anlage für bestimmte Bauteile für die Produktion von 18 Millionen Teilen für zwei Aufträge. Der Zulieferer plant aber bereits die Ausweitung des Prozesses und wird bald die Produktion weiterer Bauteile mit Code zur Nachverfolgung einführen. „Mit unserem Verfahren haben wir einen klaren Wettbewerbsvorteil: Kein Teil verlässt mehr unser Werk ohne Prüfung und Geburtsurkunde“, resümiert Soldat. „Das bietet unseren Kunden einen echten Qualitätsmehrwert und senkt die Retouren. Wir sparen so wichtige Ressourcen – und niemand muss mehr 180.000 Teile einzeln prüfen.“
“Indem wir jedes Teil digital nachverfolgen können, schaffen wir für uns und unsere Kunden größtmögliche Transparenz und Sicherheit.”
David Soldat, Projektleiter, R. Schulze GmbH & Co. KG
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