Wie wird Fachwissen effizient genutzt? Man fragt nach und sucht, bis man eine entsprechende Antwort erhält. In der Pharmaindustrie ist die Geschwindigkeit, in der man die Antwort erlangt, überlebenswichtig für viele Menschen. Festgehalten ist dieses Fachwissen in zahlreichen unternehmensinternen Repositorien, Datenbanken und externen Wissensquellen. Diese zu durchsuchen und Insights für Forschung, Entwicklung und Bereitstellung von Medikamenten daraus zu ziehen, nahm früher viel Zeit in Anspruch: Mit seiner Plattform iQNow und Azure OpenAI Service hat Boehringer Ingelheim die Wissenssuche für Forschende deshalb um ein Vielfaches beschleunigt – und damit mehr Zeit und Kapazitäten für die Entwicklung von Medikamenten frei gemacht.
Die Herausforderung: Gigantische Dokumentenzahl erschwert die Suche nach Wissen
Zeit ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Entwicklung von Medikamenten geht, damit lebenswichtige Arzneimittel so schnell wie möglich zur Verfügung stehen. Zeit ist deshalb die Währung, in der viele Prozessschritte beziffert werden: die Entwicklung, die klinische Prüfung der Medikamente, die Freigabe durch die verantwortlichen Autoritäten. Viele Schritte kann ein Unternehmen nur bedingt beeinflussen, da es klare Vorgaben und Anforderungen gibt. Bei der Entwicklung an sich gibt es jedoch viele Ansätze, die durch einen effizienteren Wissensaustausch beschleunigt werden können. Doch einfacher gesagt als getan.
„Im Rahmen des Lebenszyklus von einem unserer Produkte entstehen in nur einer einzigen Abteilung zum Beispiel mehr als 60.000 Dokumente in allen Formaten – bei deren Erstellung bis zu 5.000 Expert*innen beteiligt sind. Diese Dokumente enthalten Wissen, das für andere Projekte enorm wertvoll ist“, erklärt Michael Schorpp, Senior Expert Knowledge and Learning Architecture & Strategy bei Boehringer Ingelheim. „Zusätzlich gibt es zahlreiche externe Wissensquellen, die für unsere Forschung und Entwicklung enorm wichtig sind, zum Beispiel wissenschaftliche und klinische Studien, Patente und Konferenzen. Viele interne Expert*innen haben zudem umfassendes Wissen in den eigenen Köpfen abgespeichert.“ In diesem riesigen, kollektiven Speicher von Wissen genau die Erkenntnisse auszumachen, die für ein Medikament gebraucht werden, war in der Vergangenheit enorm zeitaufwendig: „Und zwar nicht nur das reine Auffinden der Personen oder Dokumente in den unterschiedlichen Datenbanken – sondern vor allem, die genau richtige Person und das genau richtige Dokument ausfindig zu machen. Dieses Wissen anschließend zu verstehen und zu nutzen, war ebenfalls eine Herausforderung.“ Denn unterschiedliche Abteilungen benutzen unterschiedliches Vokabular, nutzen andere Abkürzungen oder verwenden heterogene Prozessbegriffe: HCP kann in einem Dokument für Healthcare-Provider stehen, in einem anderen für Host Cell Protein. Nur im jeweiligen Kontext lässt sich erkennen, worum es geht.
Boehringer Ingelheim stand also vor den Herausforderungen, das massive Wissen im Unternehmen durchsuchbar zu machen, ihm eine einheitliche Sprache zu geben und das Erfassen dieses Wissens für die Suchenden zu vereinfachen. Die Mission: Eine Wissensmanagement-Plattform entwickeln, die alle Lösungen für diese Herausforderungen in sich vereint.
Die Lösung: Wissensmanagement mithilfe von Azure OpenAI Service
Im ersten Schritt ging es darum, die Basis für eine ganzheitliche, langfristige Vision zu schaffen. „Wir arbeiten daran, alle für uns relevanten Wissensquellen über Schnittstellen miteinander zu verbinden – sowohl externe wie auch unsere internen Repositorien. Das kombinieren wir dann noch mit einer Expert*innensuche“, erklärt Aleksandar Kapisoda, Senior Knowledge & Learning Scientist bei Boehringer Ingelheim. Auf diese Basis setzte Boehringer Ingelheim eine semantische Suchmaschine auf: die Wissensmanagement-Plattform iQNow. Im Gegensatz zu einer klassischen Schlagwort-Suchmaschine berücksichtigt iQNow auch den Kontext und die Intention von Suchanfragen. Allein das war bereits eine große Hilfe – denn damit fanden Mitarbeitende die richtigen Expert*innen und Dokumente deutlich schneller. Zusätzlich kamen im Rahmen der Lösung SharePoint und Azure Active Directory für die Vergabe von Berechtigungen zum Einsatz.
“Dank der Microsoft Lösungen für Datenmanagement, Identitäts- und Zugriffsverwaltung wie SharePoint und Azure Active Directory konnten wir ein sehr sicheres Management von Zugangsberechtigungen in iQNow etablieren. Das war entscheidend für den Erfolg unserer Lösung – schließlich arbeiten wir mit sehr sensiblen, oftmals vertraulichen Daten.”
Aleksandar Kapisoda, Senior Knowledge & Learning Scientist, Boehringer Ingelheim
Aber Wissen finden, ist nicht gleich Wissen nutzen. „Wir wollten noch weiter gehen, denn nun standen wir vor dem klassischen Suchmaschinen-Dilemma“, erklärt Matthias Negri, Senior Data Scientist bei Boehringer Ingelheim. „Die Plattform schlägt viele, richtige Dokumente vor, trotzdem muss ich immer noch auswählen, welches ich lesen möchte – und es dann auch noch nach genau dem Wissen durchsuchen, das für mich relevant ist. Und hier kommt künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel.“ Mit Azure OpenAI Service hat Boehringer Ingelheim den Dialog zwischen Wissen und Mitarbeitenden geöffnet: Mithilfe einer sicheren Schnittstelle zu Azure OpenAI Service können Mitarbeitende Fragen an die Dokumente stellen, die sie entweder ausgewählt haben oder die ihnen durch eine KI unterstützte Suche vorgeschlagen wurden. Die Mitarbeitenden erhalten dann faktenbasierte und präzise Antworten. Dies minimiert insbesondere bei dutzenden von internen und externen Wissensdatenbanken mit teils umfangreichen Dokumenten mit mehreren hundert Seiten aufwendige Suchen. Dokumente werden zusammengefasst und Insights einfach aus den vorhandenen Informationen gezogen. Boehringer Ingelheim beschleunigt die Suche nach Wissen mit der Lösung signifikant. Im globalen Unternehmensverbund konnten innerhalb von weniger als 70 Arbeitstagen fast 150.000 Arbeitsstunden an Effizienzgewinn ausgewiesen werden. Diese gewonnene Zeit fließt direkt in die Entwicklung von Medikamenten – die Patient*innen so schneller zur Verfügung stehen.
Des Weiteren profitiert Boehringer Ingelheim von der hohen Integrationsfähigkeit der Microsoft Lösungen. Denn iQNow ist direkt in Word und PowerPoint eingebunden – den beiden Programmen, in denen im Zuge der Medikamentenentwicklung ein Großteil der Dokumente entsteht. „Dieses Plug-in nennen wir iQMe“, erklärt Aleksandar Kapisoda. „Zum einen zeigt es pro Dokument sämtliche Metadaten, wie Autor*in, Themenbereich sowie eine kurze Zusammenfassung an, und gibt den Nutzer*innen Rückmeldung zur Auffindbarkeit des erstellten Dokuments. Die Nutzer*innen bekommen direkt Vorschläge, wie die Auffindbarkeit des Dokuments verbessert werden kann. Zum anderen integriert das Plug-in ChatGPT direkt in diese Office Lösungen – wie einen kleinen, virtuellen Assistenten, ähnlich zu Microsoft Copilot, nur sehr spezialisiert auf die internen Regularien und Prozesse. Damit ist unsere iQNow Plattform immer personalisiert auf die Nutzer*innen und direkt in die Dokumente integriert.“ Diese hohe Integrierbarkeit von iQNow in bestehende Geschäftsprozesse ist laut Michael Schorpp der Schlüssel zum Erfolg der Plattform:
“Wir konnten dank der umfänglichen Integrationsfähigkeit von iQNow in die Microsoft Office Welt unsere Lösung ganz organisch in bestehende Prozesse integrieren. So wirkt sie nicht wie ein Fremdkörper, ist sehr leicht zu bedienen und schnell erlernbar. Deshalb wird sie auch so gut angenommen.”
Michael Schorpp, Senior Expert Knowledge and Learning Architecture & Strategy, Boehringer Ingelheim
Und iQNow wächst immer weiter: Als nächstes sollen weitere Dienste aus dem Azure Cognitive Services Portfolio als Plug-in hinzugefügt werden, um das Auslesen von Wissen aus Tabellen, Bildern und Sprach-Audios zu ermöglichen. Die mobile Version von iQNow wurde im Oktober 2023 gelauncht. Sie stellt in Zukunft das geballte Wissen von Boehringer Ingelheim zum Beispiel dem Außendienst niedrigschwelliger und in Echtzeit zur Verfügung.
Die Vision für die Zukunft ist klar: Mitarbeitende sollen nicht mehr mit einzelnen Dokumenten, sondern mit dem geballten, medizinischen Wissen aller angebundenen Dokumente in den Dialog gehen können. In ferner Zukunft passiert der Wissensaustausch direkt, im Dialog mit dem Sprachmodell. Dann lautet die Frage an iQNow: „Wie schaffen wir es, das gesamte, medizinische Wissen, das wir als Gesellschaft erschaffen haben, zu nutzen?“ Und iQNow antwortet: „Eine gute Lösung ist, künstliche Intelligenz als Unterstützung zu verwenden.“
“Wir wollen eine einfache Kommunikation zwischen unseren Wissenschaftler*innen und den Dokumenten ermöglichen. Sie stellen eine Frage und erhalten anstelle einer Liste mit Dokumenten eine auf Fakten basierte Antwort. Diese natürliche, menschliche Art der Kommunikation zu verwirklichen, ermöglicht uns Azure OpenAI Service.”
Michael Schorpp, Senior Expert Knowledge and Learning Architecture & Strategy, Boehringer Ingelheim
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