Global Citizen: Die Revolution für das Lehren?
Global Citizen: Ein Erfolgsprojekt für Lehrende und Lernende
Ein respektvoller Umgang miteinander, selbstorganisierte Lerngruppen und digitale Kompetenzerweiterung aufseiten der Schülerinnen und Schüler – wenn das nicht der Traum vieler Lehrkräfte ist! Und es ist genau das Bild, das die vier Lehrerinnen und Lehrer aus Brasilien, El Salvador und Deutschland vom virtuellen Schüleraustausch Global Citizen zeichnen. Sie sind sich einig, dass dieses Format enorm viel Positives für die Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren bewirkt hat. Doch was war es im Einzelnen, das die Lehrkräfte so von dem Projekt begeisterte?
Vom Frontalunterricht zur Teacher Agency: Die Lehre im Umbruch
Ein wesentlicher Unterschied zu üblichen Unterrichtskonzepten ist bei Global Citizen der Fokus auf das schülerzentrierte Lernen. Hier nimmt das Konzept der Student Agency eine zentrale Rolle ein: Es geht davon aus, dass Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihre Motivation, Selbstwirksamkeit, Hoffnung und ihr Growth Mindset als Antrieb für selbstgesteuertes Lernen und Handeln zu nutzen. Dabei ist diese Form der Agency nicht nur als Lernziel, sondern vielmehr als ein Lernprozess zu verstehen – schließlich kennt Lernen kein Ende. Entscheidend ist das Wie!
Für Lehrkräfte bedeutet das zunächst eine Veränderung im Selbstverständnis des eigenen Berufs: Waren Sie bislang maßgeblich für die Gestaltung des Unterrichts und die Anleitung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich, übernehmen sie in digital gestützten Formaten wie Global Citizen eher eine unterstützende Funktion. Diese Form der Agency bezeichnet man als Teacher Agency.
Für die teilnehmenden Lehrkräfte versprach das schülerzentrierte Projekt eine reizvolle Erfahrung, nicht zuletzt, um den Grad der Digitalität an den eigenen Schulen noch weiter voranzubringen. Daniela Wirth, Deutsch- und Englischlehrerin an der Internats- und Tageschule Schloss Neubeuern, führt eine Vielzahl von Gründen an, die sie und ihre Schule zur Teilnahme bewog:
- Interkultureller Austausch
- Erweiterung des eigenen Horizonts
- Gelegenheit eines Schüleraustauschs in Zeiten der Corona-Pandemie
- Vergleich der Leistungen von ESL-Schülerinnen und -Schülern mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund
- Schärfung des kulturellen Bewusstseins
Im Vordergrund standen in erster Linie die Gelegenheiten, die sich damit den Jugendlichen boten, wie Stefan Fieger, Lehrer am Maria-Ward-Gymnasium in Augsburg, betont:
„Es ist großartig, dass sie sich als Weltbürgerinnen und -bürger (global citizens) aktiv an diesem Projekt beteiligen können. Sie erfahren unmittelbar, was es bedeutet, sich auf einen interkulturellen Austausch einzulassen. Darüber hinaus werden sie für kulturelle Unterschiede sensibilisiert. Sie lernen zu verstehen, wie wichtig es ist, Stereotype und Vorurteile immer wieder zu überdenken. Das wird ihnen im weiteren Leben sehr helfen!“
Die Lehrkräfte Larissa Gaspar Carneiro (Brasilien), Walberto Flores (El Salvador), Daniela Wirth und Stefan Fieger (beide aus Deutschland) stellten im Laufe des Projekts sicher, dass die Lernenden alle nötigen Voraussetzungen hätten, um ihrer virtuellen Gruppenarbeit nachzugehen. Des Weiteren fungierten sie als Schnittstellen zwischen dem Organisationsteam von Global Citizen, den Tutorinnen und Tutoren, den Eltern und den Lernenden. Ihr eigener Aufwand beschränkte sich auf die Sicherstellung der Rahmenbedingungen und fiel daher wesentlich geringer als in üblichen Schulunterrichtskontexten aus. Erfreut waren alle darüber, wie ihre Schülerinnen und Schüler aufblühten, Einsatz zeigten und gegenseitige Anerkennung praktizierten.
Neue Chancen in der Lehre: 21st Century Skills und moderne Technologien
Die Anforderungen der Arbeitswelt, auf die Lehrkräfte ihre Zöglinge vorbereiten müssen, sind mittlerweile andere als noch vor zehn, zwanzig Jahren. So ist es kein Wunder, dass Digitalität sowie entsprechendes Wissen und Kompetenzen immer mehr Raum einnehmen, auch wenn dies noch nicht in allen Schulen der Fall ist.
Zugleich eröffnet Digitalität im Schulunterricht eine neue Flexibilität hinsichtlich der Curricula, da diese nicht mehr unbedingt linear aufgebaut sein müssen. Damit können Schülerinnen und Schüler wie Andrea und Fer, die am Global Citizen-Projekt teilnahmen, individueller lernen und sich beispielsweise auf Themen konzentrieren, die ihr volles Engagement fordern.
Das Projekt Global Citizen bot daher, wie Larissa Gaspar Carneiro, Englisch-Koordinatorin an der Escola São Domingos (ESD) in Brasilien, betont, die ideale Gelegenheit, um die digitale Transformation bereits im (virtuellen) Klassenzimmer stattfinden zu lassen. Auf diese Weise konnten viele der 21st Century Skills direkt erprobt und in die Tat umgesetzt werden, darunter folgende:
- Kommunikation
- Kollaboration
- Kritisches Denken
- Kreativität
- Informatisches Denken (Computational Thinking)
Zudem, so sehen es auch ihre Kolleginnen und Kollegen in El Salvador und Deutschland, kamen die Lernenden früh in Kontakt mit anderen Kulturen und Perspektiven, wobei sie von den Tutorinnen und Tutoren sehr gut begleitet wurden:
„Wir glauben, dass große Transformationen im Klassenzimmer ihren Anfang nehmen. Indem wir den Blick der Schülerinnen und Schüler auf die Welt erweitern, werden nicht nur die Fächer des Lehrplans gelehrt, sondern auch Werte und Anreize für ein selbstständiges und glückliches Leben geschaffen.“
Auf dem Weg dorthin bedarf es der nötigen Offenheit gegenüber anderen Perspektiven, Ideen und Erfahrungen. Zum einen war die Arbeit der Mentorinnen und Mentoren in dieser Hinsicht ein enormer Gewinn für die Lehrkräfte und die Lernenden, schließlich sensibilisierten sie die Beteiligten für Themen der interkulturellen Kommunikation. Zum anderen sieht Walberto Flores, Koordinator für Bildungstechnologien an der Highlands International School San Salvador in El Salvador, in Microsoft Teams die idealen Voraussetzungen, um diese Erfahrungen ortsunabhängig machen zu können:
„Viele nutzten die Tools über die traditionellen Präsentationen hinaus, und das war sehr gut. Es spricht für eine echte Nutzung der Technologie, die als Werkzeug eingesetzt wird, und für die Anpassung an verschiedene Formen der Kommunikation.“
Das Gute an der digital vernetzten Zusammenarbeit bei Global Citizen ist, dass die Schülerinnen und Schüler Technologie als Hilfsmittel verstehen lernen, und nicht als die Lösung selbst. Auf diese Art werden die Kreativität und Problemlösungsfähigkeit viel stärker angeregt, als wenn entweder klare Anweisungen gegeben würden oder nur die Tools oder Inhalte im Fokus stünden. Vielmehr geht es um eine Symbiose all dieser Aspekte, wobei sich Lernende mit Aufgeschlossenheit und Respekt zu verschiedensten Themen auseinandersetzen können.
Warum Global Citizen für Schulen auf der ganzen Welt attraktiv ist
Gerade in Zeiten, in denen Reisen in andere Länder geschweige denn zu anderen Kontinenten nahezu zum Erliegen kommen, bietet das virtuelle Programm, das auf Software wie Microsoft Teams und Office aufbaut, eine wunderbare Alternative zum üblichen Schüleraustausch vor Ort. Auf diese Weise lassen sich ohne Weiteres – wo immer Internetanschluss, Hard- und Software gegeben sind – Grenzen überwinden.
Diese Vorzüge machen Global Citizen nach Einschätzung der Lehrkräfte zu einer wertvollen Bereicherung:
- Einfache Organisation
- Gelegenheit für die Verbesserung der Selbstorganisation
- Zeit- und ortsunabhängig
- Gute Alternative zu klassischem Schüleraustausch in puncto Klimaschutz, z. B. keine Flugreisen
- Geschärftes Bewusstsein für Stereotype und Vorurteile
- Kennenlernen anderer Menschen und Sichtweisen, damit auch bessere Selbstkenntnis
- Reale Lernumgebung zur Weiterentwicklung der digitalen Kompetenzen
- Ideale Vorbereitung auf die internationalisierte Arbeitswelt
Daniela Wirth und ihre Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien, El Salvador und Deutschland sind sich einig, dass Global Citizen großes Potenzial für Lernende, Lehrende und Schulen weltweit bietet. Auch wenn die synchronen wie asynchronen Sessions parallel zum üblichen Lehrplan stattfanden und die Zeitverschiebung eine Herausforderung für die Terminfindung des Kick-off-Termins darstellte, stachen die hervorragende Unterstützung durch die Tutorinnen und Tutoren und das große Engagement der Lernenden derart positiv hervor, dass das Projekt von allen als klarer Erfolg und Gewinn gewertet wird.
Über die Erfahrungen der beiden Schülerinnen Andrea und Fer können Sie in diesem Artikel mehr lesen – und wenn sie sich über das ganze Projekt in all seinen Facetten informieren möchten, geht es hier entlang.