Digitale Pioniere für den ländlichen Raum
Wie das Arbeiten in digitalen Teams auch auf dem Land ermöglicht wird

Von Isabel Richter am 6. Januar 2020
Communications Manager | PR Lead Microsoft Berlin
Die Mietpreise in Metropolregionen explodieren, die Ortskerne idyllischer Kleinstädte auf dem Land veröden. Wenn mit der industriellen Revolution die Menschen dorthin zogen, wo die Fabriken standen, führt die digitale Revolution die Menschen in Großstädte, in denen die digitale Infrastruktur am besten ausgebaut ist. Die Transformation der Arbeitswelt verändert die Gesellschaft – auch räumlich.
Nicht jeder will aber in einer Großstadt leben, viele ziehen das Landleben vor. Aktuell leben zwei Drittel aller Menschen in Deutschland in ländlichen Räumen. Menschen, die in einer digitalen Arbeitswelt arbeiten möchten und enorme Fähigkeiten mitbringen.
Microsoft gehört zu den Digitalen Pionieren für den ländlichen Raum
Genau an dieser Stelle ist die Digitalisierung nicht nur Fluch, sondern Segen zu gleich – wenn ihre Potenziale genutzt werden. Im Projektkonsortium „Digitale Teams“ arbeitet Microsoft seit Anfang 2019 gemeinsam mit Projektpartnern aus dem Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE), dem Institut für Technologie und Arbeit und vielen weiteren Akteuren an der digitalen Zukunft für ländliche Räume. Das Projekt ist Teil von „Smart Service Welt 2“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanzierte Forschungsprogramm.

Im Mittelpunkt stand von Anfang an die Frage: Was brauchen Menschen, die in kleinen Orten zwischen Seen, Wäldern und Wiesen wohnen, um in digitalen Kanälen effizient und kreativ zusammenarbeiten? Wie können wir auf einer Plattform mit künstlicher Intelligenz arbeiten, um diesen Teams virtuell Hilfestellung zu geben?
"Wie das Projektteam sich mit diesen Themen auseinandergesetzt hat und wie die Themenwelten der Akteure zusammenhängen, habe ich unseren National Technology Officer Thomas Langkabel gefragt.
Was ist unsere Vision als digitaler Pionier für den ländlichen Raum?
Thomas Langkabel: Wir wollen gemeinsam mit unseren Partnern eine Plattform schaffen, die es Menschen ermöglicht, an dem Ort zu leben, an dem sie leben möchten – ohne auf eine Karriere im Digital-Zeitalter zu verzichten. Wir wollen Angebote für diejenigen im ländlichen Raum entwickeln, die sich abgehängt fühlen oder überlegen wegzuziehen, weil sie ihre Lebensziele dort nicht verwirklichen können. Wir glauben, wir können heute mit Technologie helfen.
Es geht dabei um zwei Aspekte: Auf der einen Seite gibt es Wissensarbeiter, die projektbezogen arbeiten wollen und dafür bestimmte Qualifikationen brauchen, beispielsweise Designer, die dafür ein virtuelles Team schaffen wollen. Dieses Team muss effizient arbeiten können. Auf der anderen Seite gibt es genug Wissensträger, die im ländlichen Raum wohnen, die auch an überregionalen virtuellen Teamprojekten teilnehmen. Das sind Szenarien, die bisher kaum erprobt sind.
Das Projekt ist dabei bewusst als offene Plattform konzipiert so dass sich viele Produkte, Open Source oder andere, über offene Schnittstellen andocken können.
Zeit für eine Zwischenbilanz: Wo steht das Projekt nach einem Jahr?
TL: Wir haben bisher mittels einer Status Quo-Analyse wissenschaftliche Vorarbeit geleistet, um herauszubekommen, was im Umgang mit virtuellen Teams der aktuelle Standard ist. Wir wollten wissen, wie heute schon über Organisationsgrenzen hinweg kollaboriert wird, welche Forschungsergebnisse es in diesem Bereich bereits gibt und welche Forschungslücken sich noch auftun. Im vergangenen Jahr haben wir unsere Erkenntnisse vorgestellt, Innovationsworkshops abgehalten und 900 Ideen gesammelt, mit denen wir jetzt weiterarbeiten können.
Was ist die wichtigste Erkenntnis bislang?
TL: Eine unserer wichtigsten Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr waren die Wünsche der Menschen, die bereits heute in digitalen Teams zusammenarbeiten. Im Mittelpunkt stand der Wunsch, im virtuellen Raum mit den Eindrücken zu arbeiten, die man auch bei einem persönlichen Treffen haben würde, in allen Facetten. Wir arbeiten jetzt an technischen Lösungen, damit sich ein Team-Meeting etwas mehr anfühlt, als wäre man wirklich in einem Raum.
Viele Anforderungen und Herausforderungen ergeben sich auch durch unsere Arbeit im Konsortium selbst. Wir arbeiten gemeinsam von verschiedenen Orten aus an Dokumenten, teilen sie und können ad hoc miteinander kommunizieren – und wir lernen jeden Tag dazu, wie es noch besser gehen könnte.
Besonders spannend finde ich die Idee eines optionalen virtuellen Teammitglieds, welches die Arbeit im Team KI-basiert inhaltlich unterstützt und konstruktive Hilfe zur Verbesserung der Teamarbeit gibt. Das ist ein völlig neuer Ansatz, mit dem viele Erfahrungen gesammelt und neue Erkenntnisse gewonnen werden können, wenn es darum geht, virtuelle Teamarbeit effizienter, effektiver aber auch angenehmer zu machen.
Letztendlich müssen wir aber auch dafür sorgen, dass wir uns über technologische Herausforderungen hinaus der Folgen, die mit Digitalisierung verbunden sind, bewusst werden. Damit wir zu einem schlüssigen Gesamtkonzept kommen können, ist es wichtig, dass im Konsortium auch Soziologen und Arbeitswissenschaftler mit dabei sind. Wir profitieren sehr vom gegenseitigen Austausch.
Wie geht es jetzt weiter?
TL: Wir arbeiten auf zwei Pilotierungsbereiche hin, auf denen die virtuelle Plattform ausprobiert werden soll. Dies wird laufend agil entwickelt, wir sind uns also sehr sicher, dass am Ende des Projektes etwas Greifbares und Produktives entstanden sein wird. Der Gedanke ist nicht, dass wir danach aufhören und auf das nächste Forschungsprojekt warten. Wir wollen mit der Plattform etwas auf die Beine stellen, das sich replizieren lässt. Etwas, dass man den Kommunen und Gemeinden und kleinen und mittelständigen Unternehmen zur Nutzung anbieten kann.
Deswegen bauen wir die Plattform auch cloudbasiert, um diese Bausteine, Erfahrungen und die Plattform zu nutzen und darauf funktionierende virtuelle Teams aufzubauen. Ein Bestandteil des Projekts wird es auch sein, eine Nachnutzung zu konzipieren. Und wir überlegen schon jetzt, wie die Pilotplattform in eine breite Anwendung gebracht werden kann.
Warum liegt Microsoft das Projekt am Herzen?
TL: Für uns ist das Projekt aus mehreren Gründen interessant: Zum einen erproben wir, wie sich solche Plattformen technologisch effizient umsetzen lassen in der konkreten Situation, die wir in Deutschland haben – mit Ballungsgebieten und mit zum Teil breitbandtechnisch schwierig angeschlossenen ländlichen Gebieten. Zum anderen lautet unsere Mission bei Microsoft, jede Person und jede Organisation dazu zu befähigen, mehr zu erreichen. Das bedeutet eben auch, dass wir uns nicht nur auf diejenigen fokussieren, die digital angekommen sind und in Großstädten leben, sondern dass wir auch dahin gucken, wo es schwierig ist.
Im Grunde ist dieses Projekt die Einlösung unseres Versprechens, dass wir uns um alle kümmern wollen, von Digitalisierung zu profitieren. In diesem Fall eben kleine und mittelständische Unternehmen und Menschen im ländlichen Raum.