Digitalisierung der Behörden: Deutschland holt auf
veröffentlicht am
Im Jahr 2020 nutzte erstmals mehr als jede*r zweite deutsche Internetnutzer*in digitale Behördendienste. Zu diesem Ergebnis kommt der eGovernment Monitor der Initiative D21 und der Technischen Universität München. Die Studie untersucht in jedem Jahr die Entwicklungen in der Digitalisierung von Behördendiensten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ein Behördengang dauert im Durchschnitt 2,5 Stunden. Davon fallen nur etwa 25 Minuten auf die eigentliche Bearbeitungszeit des Anliegens zurück – Der Rest ist der An- und Abfahrt sowie einer oft langen Wartezeit geschuldet. Dass viele Anliegen ebenso gut online erledigt werden können, wissen mittlerweile auch die meisten Bürgerinnen und Bürger: Die digitale Steuererklärung, Online-Terminvergabe, das Herunterladen von Formularen und das Informieren über den Webauftritt der Behörden wird von vielen Deutschen genutzt. Erstmals in diesem Jahr überschritt die Zahl der eGovernment-Nutzenden die 50 Prozent-Marke.
Damit näherte Deutschland sich seinen Nachbarn Österreich und der Schweiz weiter an und verzeichnet von allen drei Ländern das höchste Wachstum zum Vorjahr. Die Nutzung wächst sowohl in der jungen Bevölkerungsgruppe als auch in der Generation über 55.
Die Gewohnheit macht es der Digitalisierung schwer
Das mangelnde Bewusstsein für die digitalen Angebote ist demnach keine große Hürde mehr. Dennoch geht die knappe Hälfte der Deutschen noch immer lieber persönlich zum Amt. Die Macht der Gewohnheit sorgt dafür, dass digitale Services von einigen Bürgerinnen und Bürgern nicht genutzt werden. Häufig ist der vermeintliche Aufwand einer Veränderung der Grund, lieber persönlich beim Amt zu erscheinen. 39 Prozent der Deutschen gaben an, ihre Behördengänge aus Gewohnheit vor Ort durchzuführen und auch in Zukunft nichts daran ändern zu wollen.
Auch die Beantragung von Kindergeld oder staatlichen Unterstützungsleistungen wird von den meisten lieber vor Ort erledigt, obwohl das auch weniger bürokratisch am heimischen Computer möglich ist.
Dass die Gewohnheit der Digitalisierung häufig im Weg steht, zeigt sich auch am Beispiel des elektronischen Personalausweises: 10 Jahre liegt die Einführung mittlerweile zurück – genutzt werden die digitalen Funktionen aber auch im letzten Jahr immer noch selten: Gerade mal 6 Prozent der Befragten gaben an, sie zu nutzen. Auch wenn eine Smartphone-App die benötigten Lesegeräte mittlerweile ersetzt hat und die Online-Ausweisfunktion seit 2017 nicht mehr optional, sondern obligatorisch ist, hält sich ihr Nutzen bis heute in Grenzen.
Vielen fehlt hierbei schlicht die Kenntnis über mögliche Einsatzbereiche. Der Mehrwert der Online-Ausweisfunktion erschließt sich vielen Bürger*innen nicht. Auch ist mehr als der Hälfte der Smartphone-Besitzer nicht bewusst, dass sie über die NFC-Schnittstelle am Gerät ihren Ausweis einlesen können.
Digitalisierungsschub durch Corona
Zu Zeiten von Corona jedoch ist es umso wichtiger geworden, unnötige Behördengänge zu verhindern. Und tatsächlich hat die Pandemie der Digitalisierung in vielen Bereichen einen Schub gegeben: Arztbesuche wurden durch Videokonferenzen ersetzt, der Schulunterricht fand digital statt und Finanzgeschäfte wurden noch häufiger online abgewickelt. Dass auch die digitalen Behördendienste einen Zuwachs verzeichnen konnten, liegt der Studie zufolge jedoch nicht unbedingt an der Corona-Pandemie. In Deutschland führte sie mal gerade zu vier Prozent Erstnutzer*innen. Nur Sieben Prozent der bestehenden Nutzergruppe gaben darüber hinaus an, Behördengänge seitdem häufiger zu nutzen. Stattdessen wurden Behördenangelegenheiten der Studie zufolge von den meisten Bürger*innen schlicht vermieden. Auch fallen in den Erhebungszeitraum von 12 Monaten lediglich vier Monate in die Pandemie.
Deutlich wird: Die deutschen Nutzer*innen sind zu einem großen Teil nicht vollkommen zufrieden mit den digitalen Leistungen der Behörden, die zu Beginn der Corona-Pandemie eingeführt wurden. Nur 44 Prozent der Bürger gaben an, sehr zufrieden mit den Online-Dienstleistungen zu sein – 14 Prozent weniger als in der Schweiz. Ebenfalls sind 44 Prozent der Meinung, deutsche Ämter haben nicht schnell genug digitale Alternativen zum Behördengang angeboten. Dennoch hat die Corona-Pandemie zumindest für eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber eGovernment gesorgt. Drei von vier deutschen Internetnutzer*innen können sich vorstellen, die Dienste in Zukunft häufiger zu nutzen.
Die Möglichkeit dazu soll es bis Ende des Jahres 2022 in erweiterter Form geben: Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen zu digitalisieren. Alle wesentlichen Behördengänge – zum Beispiel Anträge auf Geburtsurkunden, Elterngeld oder BAföG - sollen dann elektronisch abgewickelt werden können. Der Gang zum Amt soll damit überflüssig werden.